Eine Frau singt in die Kamera ihres Smartphones: „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Sie filmt die Menschen, die mit ihr zum Lied von „L’Amour Toujours“ von Gigi D’Agostino feiern. Viele von ihnen tragen Pullover über ihren Schultern, darunter weiße Hemden. Etwa ein Dutzend Feiernde sind auf dem Video, das in den vergangenen Tagen viral gegangen ist, zu sehen. Manche von ihnen singen die ausländerfeindlichen Parolen mit, andere wippen im Takt. Ein Mann deutet mit den Fingern seiner linken Hand auf der Oberlippe einen Hitlerbart an. Den rechten Arm streckt er in die Luft. Die Bewegung erinnert an einen Hitlergruß.
Der Vorfall ereignete sich am Samstag, den 18. Mai, auf Sylt. Genauer gesagt im Lokal „Pony“ in Kampen auf dem größten Event, das die Gastronomie auf der Insel jedes Jahr feiert: der Pfingstparty. „Es ist ein Klassiker über Jahrzehnte“, sagt Tim Becker, Geschäftsführer und Inhaber des „Pony.“
Wer ins „Pony“ geht, hat Geld. Das verrät zumindest ein Blick auf die Speisekarte: Hier gibt es Austern, Kaviar, und „Hummer Linguini“ für 45 Euro. Die Pfingstparty ist besonders begehrt. Auf Ebay wurden die Tickets teilweise für mehrere Hundert Euro angeboten. Etwa 300 bis 500 Gäste sollen dort jedes Jahr feiern. Insgesamt könne man sich die Party vorstellen wie ein Festival. „Mit der Lautstärke der Musik gehen wir immer an die Grenze des Erlaubten“, sagt Becker.
„Mein Kollege ist in diesem Moment bei der Polizei und erstattet Anzeige“
Von dem Vorfall hätten Becker und seine Kollegen erst am Donnerstag etwas mitbekommen. Auch sie haben das 14-sekündige Video auf Social Media entdeckt. Bei der Veranstaltung selbst will niemand der Mitarbeiter des „Pony“ die ausländerfeindlichen Parolen gehört haben. Dazu sei die eigentliche Musik zu laut gewesen. Laut Becker hat sich der Vorfall so ereignet: Der DJ der Party spielte „L’Amour Toujours“, woraufhin der Großteil der Gäste die eingängige Melodie mitsang. Innerhalb dieser Masse hätte die Gruppe gefeiert, die auf dem Video zu sehen ist. „Das war für unsere Sicherheitsleute und die Mitarbeiter an der Bar einfach nicht rauszuhören“, sagt Becker. Auch auf den Aufnahmen der Überwachungsvideos seien die Parolen nicht zu hören.
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Die Betreiber des Lokals seien „tief schockiert“. Mittlerweile kennen sie die Namen der Personen, die in dem Video zu sehen sind. Über die sozialen Netzwerke hätten Menschen die Feiernden identifiziert und dem „Pony“ die Namen geschickt. „Mein Kollege ist in diesem Moment bei der Polizei und erstattet Anzeige“, sagt Becker am Freitagvormittag. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen. Derweil schrieb die Insel in einem Statement: „Solche Gäste brauchen nicht noch einmal nach Sylt zu kommen. Sie sind herzlich ausgeladen.“
Das „Pony“ selbst wolle seine Gäste in Zukunft sensibilisieren. Laut Becker hat niemand auf der Party den Vorfall gemeldet. Auch auf dem Video interessiert sich offenbar keiner der Umstehenden für das ausländerfeindliche Gegröle.
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In „L’Amour Toujours“ geht es eigentlich um Liebe. Doch der Hit aus den 2000ern wird bereits seit Monaten für rassistische Hetze missbraucht. Zuletzt kam es auf Volksfesten und in Discotheken immer wieder zu Zwischenfällen, in denen rechtsextreme Parolen zu der Melodie des Liedes gegrölt wurden. Der erste dieser Vorfälle soll sich im Oktober bei einem Dorffest in der Gemeinde Bergholz in Mecklenburg-Vorpommern ereignet haben. Seitdem hat sich die Melodie zu einem Erkennungszeichen der rechtsextremen Szene entwickelt. Auch auf Tiktok kursieren ausländerfeindliche Videos mit der Melodie von „L'Amour Toujours“.
Eine „fristlose Kündigung ausgesprochen“
Inzwischen veröffentlichen Nutzer in den sozialen Netzwerken die Namen der Personen, die auf dem Video zu sehen sind. Der Influencer und Podcaster Blal Aryan hatte seine Follower auf Instagram gefragt, ob sie Personen aus dem Video erkennen, und erhielt zahlreiche Antworten.
Eine der Personen aus dem Video soll für die Werbeagentur „Serviceplan“ arbeiten. Auf Instagram distanzierte sich die Agentur am Freitagnachmittag von ihrem mutmaßlichen Mitarbeiter und schrieb: „Als der Vorfall bekannt wurde, hat die Serviceplan Group sofort gehandelt und eine fristlose Kündigung ausgesprochen.“
Auch die Influencerin Milena Karl reagierte auf Instagram. Es habe sie schockiert zu sehen, dass eine der Personen aus dem Video für sie gearbeitet habe. Dieses Arbeitsverhältnis habe sie mit sofortiger Wirkung aufgelöst. „Ich bin selbst Migrantin und als werdende Mutter steht alles, was in diesem Video zu sehen ist, für eine Gesellschaft, in der ich mein Kind nicht großziehen möchte.“
